Neues Hochfeldspektrometer für die Forschung

EFRE
Die Installation eines neuen 800 MHz-Hochfeld-NMR-Spektrometers wird aus Mitteln des EFRE, REACT-EU, im Rahmen des Spezialisierungsfelds „Gesundes Leben und Gesundheitswirtschaft“ der RIS3-Strategie des Landes Thüringen ermöglicht. Die Inbetriebnahme ist für Juni 2023 vorgesehen.
Magnet Abb.1: NMR-Spektrum der Rezeptorbindungsdomäne des SARS-CoV2-Virus (aufgenommen durch Dr. Christoph Wiedemann, AG Biostrukturelle Interaktionen, IOMC, FSU Jena. Teile dieser Abbildung generiert mit BioRender.com)

Allen Bereichen der Lebens- und Materialwissenschaften ist gemein, dass sie atomare Beschreibungen der Struktur und Dynamik der beteiligten Moleküle benötigen. Dies gilt für eine Mutation, welche eine Krankheit auslöst, ebenso wie für den Wirkmechanismus eines Medikaments, die unbeabsichtigte Toxizität eines Pflanzenschutzmittels für Insekten, die Resistenzmechanismen eines Bakteriums gegen ein Antibiotikum, oder die Entwicklung neuer Speichermedien im Energiesektor. Benötigt werden also Methoden, die solche Zusammenhänge auf der atomaren Ebene untersuchen können, ohne die Beweglichkeit der beteiligten molekularen Komponenten einzuschränken. Die magnetische Kernspin-Resonanz, kurz NMR-Spektroskopie, erfüllt diese Bedingung in idealer Weise, da sie nicht nur die Struktur, sondern auch die Dynamik komplexer (Bio-)Moleküle und Materialien auf atomarer Ebene sichtbar machen kann. Es lassen sich zum Beispiel Transportvorgänge auf Oberflächen und in Biomakromolekülen beobachten, die Wechselwirkung von Medikamenten mit ihrem Wirkstoffziel aufklären und die molekularen Grundlagen von Erbkrankheiten für künftige Therapien untersuchen. Die NMR-Spektroskopie ist somit die zentrale Technik für diverse, fakultätsübergreifende Projekte, etwa zur Kartierung von Naturstoffen als Antiinfektiva, Beschreibung der Dynamik von Signal-Proteinen in der mikrobiellen Kommunikation oder zur Untersuchung von Wirt-Pathogen-Interaktionen. Auch neue Forschungsfelder wie die Entwicklung von innovativen Batteriesystemen, die Optimierung von Nanopartikeln als Träger für Wirkstoffe, die Erforschung von altersbedingten Krankheiten, z. B. molekulare Aspekte der Neurodegeneration, oder die Bekämpfung der Erreger künftiger Pandemien können erschlossen und zielgerichtet weiterentwickelt werden.

Vergleich-400MHz-800MHz Abb.2: Bedeutung der magnetischen Feldstärke in der Protein-NMR: HSQC-Experimente, aufgenommen bei 1H-Resonanzfrequenzen von 400 und 800 MHz (1H-15N HSQC, 4mM 15N-markiertes Ubiquitin; die Daten wurden uns freundlicherweise von Bruker BioSpin zur Verfügung gestellt).

Dabei besitzt die Feldstärke eines NMR-Spektrometers einen direkten Einfluss auf die Sensitivität und Aussagekraft der vorgenommenen Messungen. Dies bedeutet, dass für die Untersuchung besonders großer und/oder nur in geringen Konzentrationen vorliegender Moleküle wie z. B. Biomoleküle oder komplexe Materialien auch höhere Magnetfeldstärken benötigt werden. Bei den in Abb.2 gezeigten Resultaten wird die um ein Vielfaches verbesserte Detektionsempfindlichkeit und Signaldispersion beim Vergleich zweier Korrelationsexperimente deutlich, die bei Wasserstoff-Resonanzfrequenzen von 400 MHz (Feldstärke 9.4 T) und 800 MHz (Feldstärke 18.8 T) aufgenommen wurden. Die enge Zusammenarbeit von Gruppen aus Chemie, Biologie, Medizin, Pharmazie und Analytik innerhalb der FSU Jena, des Universitätsklinikums und angrenzender Forschungsinstitute wird weiter verstärkt und generiert neue Synergien. Wie die Covid-19-Pandemie deutlich gezeigt hat, ist ein multidisziplinäres, über Fächergrenzen hinweg engagiertes Vorgehen zur Entwicklung innovativer Bekämpfungsmöglichkeiten von Krankheitserregern im Kontext immer weiter steigender globaler Mobilität von herausragender Relevanz (Abb.1).